Können Blinde sehen lernen?

Unser Alltagswissen über blinde Menschen ist, gelinde gesagt, oft ein blinder Fleck. Wir wissen wenig darüber, wie unterschiedlich Sehbehinderungen sind oder wie es tatsächlich ist, blind zu sein. Dieses Seh-Märchen soll etwas Licht ins Dunkel bringen – und da begegnet uns schon der erste Irrglaube.
Falsch: Blinde sehen schwarz
Wer weniger als zwei Prozent Sehvermögen hat, gilt als blind. Doch das bedeutet nicht automatisch völlige Dunkelheit. Viele blinde Menschen können Hell und Dunkel unterscheiden, manche sehen kleine Bereiche ihres Sehfeldes sogar noch scharf. Scharf genug, um zum Beispiel Karten spielen zu können.
Nur sehr selten ist jemand wirklich „lichtblind“, also unfähig, Hell und Dunkel zu unterscheiden. Wer gar kein Sehvermögen hat, sieht nicht schwarz – sondern schlichtweg nichts. Dieses „Nichts“ ist schwer vorstellbar: So unvorstellbar wie geruchlos, farblos oder berührungsfrei zu sein – einfach ohne jeden Seheindruck.
Falsch: Blind ist Blind
„Blindsein, das ist eine extrem individuelle Sache“, sagt Volker Lenk, Sprecher des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbands. „Denn blind ist natürlich nicht gleich blind.“
Viele stark sehbehinderte Menschen nehmen große, kontrastreiche Schrift oder Lichtquellen wahr. Ein kleiner Teil des sinnlichen Seheindrucks ist meist noch vorhanden.
Was sehbehinderte Menschen wahrnehmen, hängt von der Ursache der Erblindung ab. Wenn du einmal selbst erleben möchtest, wie sich verschiedene Sehbehinderungen anfühlen, probiere den Simulator des Berliner Blinden- und Sehbehindertenverbands aus: https://www.absv.de/themen/sehbehinderungssimulator
Falsch: Für Blinde gibt es keine Hilfe
Blinde Menschen können am Leben teilhaben – wenn wir sie unterstützen. Das beginnt mit barrierefreien Zugängen, taktilen Leitsystemen, akustischen Signalen und reicht bis zu Sprach- und Lesehilfen im öffentlichen sowie digitalen Raum. Im Alltag helfen ihnen außerdem Blindenhunde und der weiße Stock. Und wir, die Gesellschaft, mit Rücksicht und Hilfsbereitschaft.
Mit sehenden Freund*innen können Blinde fast alles unternehmen: Karten spielen, tanzen gehen, Tandem fahren, Musik machen, einkaufen … einfach leben. In manchen Bundesländern ist die Inklusion besonders gut gelungen: Dort arbeiten viele blinde Menschen in Verwaltungen oder sozialen Bereichen, als Lehrer*innen oder in telefonischer Beratung.
Wann können Blinde wieder sehen?
Nicht für alle, aber für manche gibt es Hoffnung: Retina-Implantate können grobe Seheindrücke ermöglichen – etwa um Menschen zu erkennen oder große Schrift zu lesen. Dabei wird ein Mikrochip direkt auf die Netzhaut gesetzt. Über eine Kamera in einer speziellen Brille werden Bilder aufgenommen, in Signale umgewandelt, welche an das Gehirn weitergeleitet werden – so entsteht ein Bild.
Auch die Gentherapie könnte erblich bedingte Blindheit in Zukunft teilweise reparieren. Die Grundlage dafür wurde 1973 gelegt: Zwei Forscher entdecken, dass ein einzelliges Bakterium lichtempfindliche Proteine bildet – sogenannte Rhodopsine. Diese ermöglichen es dem Einzeller, auf Licht zu reagieren.
Die Forscher fragten sich: Könnte man solche Proteine in menschliche Zellen einbauen, um sie wieder lichtempfindlich zu machen? Die Optogenetik macht genau das möglich. Noch steckt sie in der Testphase, aber die Fortschritte sind vielversprechend. In ein paar Jahren wissen wir mehr.
Bis dahin: Bleibt neugierig!
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