Können alle Menschen räumlich sehen?

Räumliches Sehen
Können alle Menschen räumlich sehen? | Quelle: © Merlas / iStockphoto.com

Unser Leben findet in 3D statt. Wir nehmen unsere Umgebung dreidimensional wahr, und mit spezieller Technik wird das räumliche Sehen auch ins Kino, aufs Smartphone und auf die Spielekonsole gebracht. Die Fähigkeit, die Umgebung dreidimensional wahrzunehmen, wird auch „stereoskopisches Sehen“ genannt. Für die meisten Menschen ist sie ein selbstverständliches Mittel, um sich in der Welt zurechtzufinden. Denn durch das räumliche Sehen kann die Größe von Gegenständen ebenso eingeschätzt werden wie Entfernungen. So lässt sich der Bleistift auffangen, der vom Schreibtisch gerollt ist, und die zusammengeknüllte alte Einkaufsliste mit einem gezielten Wurf im Papierkorb versenken. Aber können alle Menschen räumlich sehen?

Räumliches Sehen ist nicht angeboren

So selbstverständlich das dreidimensionale Sehen zu sein scheint, es wird nicht von Geburt an beherrscht. Das räumliche Sehen muss erst erlernt werden. Dies geschieht in den ersten Monaten nach der Geburt mit Hilfe von visuellen Reizen. Wie kommt es überhaupt zur Wahrnehmung von Dreidimensionalität?

Mit einem Auge allein lässt sich nur zweidimensional sehen. Doch wenn beide Augen ein Objekt betrachten, fügt das Gehirn die beiden leicht versetzten Bilder in der Sehrinde zu einem dreidimensionalen Bild zusammen – wir sehen räumlich. Um diese Aufgabe richtig erfüllen zu können, muss das Gehirn zwei Bilder erhalten, die die gleiche Qualität haben.

Darum können manche Menschen nicht räumlich sehen

Das dreidimensionale Sehen ist dann beeinträchtigt, wenn sich die Bilder, die die Augen dem Gehirn liefern, zu sehr voneinander unterscheiden. Besonders im Kleinkindalter kann es also sein, dass das räumliche Sehen von einer Sehschwäche oder durch ein Schielen beeinträchtigt wird. Das Gehirn kehrt dann das schwächere, störende zweite Bild einfach unter den Teppich. So kann sich die Sehleistung des schwächeren Auges nicht richtig entwickeln. Auf diesem Auge kann es zur sogenannten Amblyopie, einer Schwachsichtigkeit, kommen. Wird dieser Sehfehler früh erkannt, kann er auch korrigiert werde. Das geschieht dann oftmals mit einem Augenpflaster, mit dem das stärkere Auge abgeklebt wird. So kann das Schwächere trainiert werden – ein bekanntes Bild. Eine solche Fehlsichtigkeit sollte im Idealfall bis zum dritten Lebensjahr erkannt werden, um sie erfolgreich zu korrigieren.

Bleiben diese Sehfehler jedoch unbemerkt, so wirken diese sich auf das räumliche Sehen für den Rest des Lebens aus. Die Sehkraft lässt sich auf dem schwächeren Auge nicht wiederherstellen und das Sehen bleibt zweidimensional. Auch wenn aus anderen Gründen die Sehfähigkeit eines Auges verloren geht, ist dreidimensionales Sehen nicht möglich. So kann der ehemalige Fußball-Nationalspieler Wilfried Hannes aufgrund eines Tumors seit seiner Kindheit nur mit einem Auge sehen. Er zählt somit zu den etwa 5 % der Deutschen, die nur zweidimensional sehen können.

Normaler Alltag auch in 2D

Auch wenn ein echtes räumliches Sehen mit den Informationen von nur einem Auge nicht funktioniert: ein normaler Alltag ist nichtsdestotrotz möglich. Das gelingt aufgrund von Licht und Schatten sowie durch Farbabstufungen, welche Aufschluss über die Räumlichkeit geben können. Nicht zuletzt sind es auch Erfahrungswerte, die etwas über Größen und Entfernungen verraten. Das zweidimensionale Sehen mag mit Einschränkungen einhergehen, beispielsweise was die Möglichkeit betrifft, bestimmte Berufe zu ergreifen. Im Zweifel kann man es aber immer halten wie Wilfried Hannes, der sich auch ohne räumliches Sehen nicht von seinen Zielen abhalten ließ: in der Bundesliga kickte er trotzdem 62 Mal das Leder zielgenau ins gegnerische Netz.

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