Gibt es Lebewesen ohne Augen?
„Klar gibt es die“, werden Sie wahrscheinlich denken. „Regenwürmer zum Beispiel.“ In der Tat kommen viele Würmer nicht nur ohne Skelett und Beine, sondern offenbar auch ohne Augen aus. In den Weltmeeren leben weitere augenlose Kreaturen. Aber ist es richtig, dass all diese Geschöpfe aufgrund der fehlenden Augen auch gar nichts sehen können?
Welche Lebewesen haben keine Augen?
Neben den bereits erwähnten Regenwürmern und anderen Würmern gibt es weitere Lebewesen, die keine Augen im herkömmlichen Sinne haben. Dazu zählen Korallen, Seesterne, Schlangensterne und Seeigel, aber auch Muscheln, Quallen oder Seegurken. Immer wieder stoßen Forscher auf neue augenlose Tiere, so etwa die Riesenkrabbenspinne Sinopoda scurion, die in einer Höhle in Laos gefunden wurde. Bei dieser Spinnenart hat sich der Sehsinn offenbar zurückentwickelt, weil sie komplett im Dunkeln lebt. Ganz alleine ist die blinde Spinne deswegen nicht: In den Höhlen fanden die Wissenschaftler bereits Fische, Skorpione und Krebse, die auch keine Augen haben. Drei ganz neue ebenfalls augenlose Spezies wurden bei einer Art Volkszählung in den Tiefen des Atlantischen Ozeans entdeckt: sogenannte Eichelwürmer (Enteropneusta). Sie haben weder Gehirn noch erkennbare Augen, finden aber trotzdem am Meeresboden ihre Nahrung.
Braucht man Augen, um zu sehen?
Je mehr Wissenschaftler darüber herausfinden, wie sich verschiedene Geschöpfe in ihren jeweiligen Lebensräumen zurechtfinden, desto stärker gerät die vermeintlich plausible Gleichung „Augen = Sehen“ ins Wanken. Ging man früher davon aus, dass Tiere ohne Augen tatsächlich blind sind, entdecken Forscher seit einigen Jahren immer neue Variationen des Sehsinns. Dabei zeigt sich einmal mehr: Die Natur ist ein genialer Erfinder, die jedes Lebewesen für seine Bedürfnisse optimal ausstattet. Dass beispielsweise der im Pazifik lebende Schlangenstern doch rudimentär etwas erkennen kann, hatten Meeresbiologen schon länger vermutet – die Frage war nur, wie. Neuere Untersuchungen bestätigten nun: Die Tiere unterscheiden hell und dunkel. Wie sich zeigte, meiden sie helles Licht. Dunklen Schatten, die sie sogar aus rund 40 Zentimeter Entfernung erkennen können, jagen sie dagegen hinterher. Damit war klar: Der Schlangenstern muss irgendwie sehen können.
Wie können Lebewesen ohne Augen sehen?
Bislang dachte man, bestimmte Kristallstrukturen auf der Hautoberfläche der Tiere könnten das Licht sammeln und fokussieren. Wie sich jetzt aber unter dem Mikroskop offenbarte, ist die gesamte Oberfläche der Tiere mit unzähligen lichtempfindlichen Molekülen überzogen. Die Moleküle wiederum, so die Vermutung, sind über Nervenbahnen untereinander vernetzt. So entsteht eine Art Auge. Diese Spielart des Sehens mithilfe lichtempfindlicher Zellen wird auch als extraokulare Photorezeption bezeichnet, als Sehen ohne Augen.
Augenloses Sehen: Häufiger als bislang angenommen?
Das Phänomen der extraokularen Photorezeption ist nicht neu. Bei anderen Meerestieren wie Seeigeln, manchen Krebsarten oder Seegurken wird die Fähigkeit, hell und dunkel unterscheiden oder sich orientieren zu können, ebenfalls mit diesem Prinzip erklärt. Auch die Flachaugen von Quallen, einer der erfolgreichsten Spezies der Erdgeschichte, funktionieren ähnlich. Hier sind die lichtempfindlichen Sinneszellen einfach nebeneinander angeordnet. Vergleichbar simple Augen-Varianten finden sich bei Strudelwürmern (Pigmentbecheraugen), den tintenfischverwandten Nautiliden (Lochaugen) oder Hummern (Spiegelaugen). Aus den aktuellen Erkenntnissen schließen die Forscher nun, dass das Sehen ohne Augen im Tierreich wesentlich vielfältiger vorkommt als bislang angenommen. Wie das Seh-Netz auf der Haut allerdings genau funktioniert und vor allem wie es entsprechend angepasste Reaktionen auf äußere Reize ermöglicht, ist dagegen noch unklar.
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