Sehen Frauen anders als Männer?

Superaugen
Sehen Frauen anders als Männer? | Quelle: © Roman Samborskyi / Shutterstock.com

Und wenn ja, wovon genau sehen sie mehr? Sehen sie in die Zukunft, wie Kassandra, die Seherin aus Troja? Sehen Frauen bunter, schärfer, schneller oder Nuancen, die Männer nicht sehen können?

Wie viel Genetik spielt hier eigentlich mit?

Schauen wir kurz ins Biobuch. Wie war das nochmal? Gene prägen uns als biologisch weibliches oder männliches Wesen: Das Chromosomenpaar XX lässt weibliche Geschlechtsmerkmale wachsen, ein XY-Paar männliche. Aha.

Nun lässt sich erahnen, dass auch geschlechterspezifische Unterschiede im Sehen mit den unterschiedlichen Chromosomenpaaren zu tun haben könnten. Und sehr wahrscheinlich beeinflussen auch weibliche beziehungsweise männliche Hormone, die Unterschiede im Sehvermögen von Frau und Mann. Denn ja, die gibt es. Und sie sind erblich.

Der besterforschte Unterschied: die Rot-Grün-Störung

Das Basiswissen vorweg: Zapfenförmigen, lichtempfindlichen Fotorezeptoren in der Augen-Netzhaut lassen uns Farben wahrnehmen. Die meisten Säugetiere – Hund, Katze, Maus – verfügen über zwei Sehzapfen und werden deshalb als Dichromaten bezeichnet. Primaten und Menschen bilden eine Ausnahme. Mit unseren drei Sehzapfen können wir Trichromaten etwa 2 bis 3 Millionen Farbtöne unterscheiden.

Wer allerdings mit einer Rot-Grün-Störung geboren wird, bei dem ist einer der Zapfen gestört (anomale Trichromasie). Bei einer Rot-Grün-Blindheit fehlt einer der drei Zapfen (Dichromasie). Deshalb können diese Menschen im Ishihara-Test eine grüne, gepunktete Zahl auf einem roten Pünktchen-Hintergrund nicht erkennen. Interessant ist, dass nur 0,8 Prozent aller Frauen eine Rot-Grün-Störung aufweisen, im Vergleich zu 9 Prozent der Männer.

Fazit: Das X-Chromosom liefert offenkundig den Zapfen, der die Wahrnehmung des Rot-Grün-Farbspektrums ermöglicht. Folglich sind Frauen fein raus: Als Doppel-X-Trägerinnen können sie einen möglichen genetischen Fehler auf einen X mit dem normalen, zweiten X einfach korrigieren. Die Evolution war schlau und hat die beiden anderen Zapfen geschlechtsunabhängig verteilt.

Fassen wir zusammen: Je mehr Zapfen, umso mehr Farben können gesehen werden. Geht da noch was?

Vier Zapfen sind die Superkraft!

Die Wissenschaft weiß heute noch wenig über Unterschiede im Wahrnehmungsapparat von Frau und Mann. Doch die jüngsten Erkenntnisse sind aufregend: Es gibt Superseherinnen, die deutlich mehr Farben sehen als ihre Mitmenschen. Die aktuelle Forschung zur Tetrachromasie schätzt, dass immerhin 12 Prozent der Frauen in Europa vier Zapfen besitzen. Sie reagieren sensibler auf Gelb- und Orangetöne. Zudem, könnte ihr Gehirn in der Lage sein, diese zahlreichen zusätzlichen Signale als völlig neue Farben zu empfinden. Farben, die wir nicht einmal mit Worten beschreiben können! Das vermutet jedenfalls Gabriele Jordan, Sehpsychologin und Psychophysikerin an der Universität Newcastle in England.

Fest steht: Nur Frauen können diese Farbsupersehkraft haben, denn die genetische Information dazu sitzt auf dem X-Chromosom. Dort führt der seltene Wechsel einer bestimmten Aminosäure zu diesen zusätzlichen Farbinformationen.

Wenn du also das Gefühl hast, mehr Farben, Abstufungen und Töne unterscheiden zu können als deine Mitmenschen, gehörst du vielleicht zur Gruppe der Tetrachromatinnen. Die Seherin Kassandra würde dir dann weissagen: „Lote die feinen Farbnuancen deines neuen Sofabezugs – Vanille-, Elfenbein- oder Champagnerweiß – nur mit einer Geschlechtsgenossin aus.“

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