Kann man in zwei Richtungen gleichzeitig sehen?
Ob man in zwei Richtungen sehen kann? Man kann. Man schielt dann. Tja, richtig gut sehen kann man so nicht. Doch wenn wir den Menschen mal beiseitelassen würden, könnte die spannende Frage lauten: WER kann in zwei Richtungen gleichzeitig blicken? Und – das ist die große Kunst – dabei zwei verschiedene Bilder wahrnehmen?
Die Taube sieht gleichzeitig fern und nah!
Die Augen der Tauben können gleichzeitig in die Ferne und in die Nähe schauen. Ihre Netzhaut besitzt zwei Stellen des scharfen Sehens. Mit der einen sieht sie zur Seite in die Ferne und erspäht mögliche Feinde, Radfahrer*innen oder mit den Armen rudernde Kinder. Mit der anderen Netzhautstelle kann sie schräg nach unten auf den Boden schauen und in der Nähe liegendes Futter entdecken. Diese beiden Stellen der Netzhaut senden ihre Informationen über getrennte Bahnen ins Gehirn. Auf diese Weise gewinnt die Taube zwei Erkenntnisse über ihre Umwelt gleichzeitig. So suchen sie den Boden nach Essbarem ab und behalten gleichzeitig mögliche Gefahren am Himmel im Auge.
Der Blickwinkel für Frau Taubes Fernsicht liegt bei stolzen 340 Grad. Wer bietet mehr?
Das Chamäleon sieht gleichzeitig in alle Richtungen – auf 360 Grad!
Seitlich am Kopf angeordnete Augen befähigen auch das Chamäleon zur perfekten Rundumsicht; es schafft fast 360 Grad. Seine Augen gehören definitiv zu einer der markantesten Spezialisierungen des hübschen Schuppentiers. Beide stehen aus den Augenhöhlen heraus und beide können sich unabhängig voneinander bewegen. Es gibt Videos und Fotos im Netz, die es anzuschauen lohnt, zum Beispiel von National Geographic.
Es ist einfach fantastisch, wie ein Chamäleon seine Augen unabhängig voneinander in verschiedene Richtungen rollt und ab und zu eine Pupille direkt in die Kamera linst. Genau so arbeiten Chamäleon-Augen – wie das Kameraobjektiv an deiner Spiegelreflex. Am Einstellring liest du die Entfernung zum scharf gestellten Gegenstand ab.
Wahrscheinlich misst Miss Chamäleon durch langes Fokussieren ihrer Beute – sie ist eine wahre Meisterin der Geduld – deren Entfernung. Erst wenn diese präzise feststeht, schnellt ihre Zunge exakt so weit heraus, um mit der Spitze das Insekt zu schnappen
Und wie sehen wir?
Während das Chamäleon still und unbeweglich auf einem Ast ausharrt und seine Augen verdreht, drehen wir Menschen den Kopf, wenn wir zur Seite, nach oben und hinten schauen wollen.
Wir sehen geradeaus, weil unsere Augen vorne am Kopf sitzen – im Unterschied zu Taube und Chamäleons seitlich platzierter Augen. Die Ausrichtung nach vorne ist durchaus sinnvoll. Beim Streifzug durch Busch und Steppe mussten unsere Vorfahren notwendigerweise erkennen, was da auf sie zukommt: Beute, Freund oder Feind. Menschen und Primaten erreichen ein Sehfeld von ungefähr 150 Grad beim Hin- und Herbewegen der Augen. Aber nur das fokussierte Bild, ein vergleichsweise eher kleiner Ausschnitt, kann völlig scharf wiedergegeben werden.
Zwei Augen liefern zwei Bilder, oder?
Binokulares Sehen heißt übersetzt beidäugiges Sehen (lat: bini = zwei, okularis = die Augen betreffend). Dabei nimmt jedes Auge den Gegenstand aus einem etwas anderen Blickwinkel wahr.
Du hast Lust auf einen Selbsttest? Dann halte dir abwechselnd ein Auge zu und schaue zum Beispiel die Tasse vor dir auf dem Tisch an. Du bemerkst, dass dein rechtes Auge einen anderen „Bildausschnitt“ wahrnimmt als dein linkes – zwei Augen, zwei Bilder! Beide Bilder werden im Gehirn fusioniert, das heißt verrechnet. Et voilà: Zwei Informationen verschmelzen zu einem dreidimensionalen Bild. Ein anderes Experiment heißt „Das Loch in der Hand“. Sehr irre!
Weil die Welt so herrlich mehrdimensional ist, brauchen wir das räumliche Sehen: Um geschmeidig einzuparken, um den Basketball sicher zu dunken, um aufeinander zu zurennen oder auch um den schönen Apfel weit oben im Baum zu pflücken.
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